Müssen Männer Bäume pflanzen?

Samstag, 3. Juli 2021 13:26

„Ein Mann muss ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und ein Kind zeugen.“ 

Wahrscheinlich stammt der Satz ursprünglich von Heinrich von Kleist und wurde später abgewandelt:

Heinrich von Kleist schrieb am 10. Oktober 1801 in Paris in einem Brief an seine Verlobte Wilhelmine von Zenge:

"Unter den persischen Magiern gab es ein religiöses Gesetz:

ein Mensch könne nichts der Gottheit wohlgefälligeres thun, als dieses, ein Feld zu bebauen, einen Baum zu pflanzen, und ein Kind zu zeugen. Das nenne ich Weisheit, und keine Wahrheit hat noch so tief in meine Seele gegriffen, als diese."


Im Rahmen einer aktuellen Planung müssen wir uns gerade mit dieser Frage beschäftigen: Müssen „Männer“ auf urbanen Plätze immer und ständig Bäumen pflanzen?

Wir haben uns das lange überlegt, da wir als LandschaftsArchitekten selbstverständlich ein positives Verhältnis zum Baum haben. Wir sind aber gleichzeitig als Raumarchitekten der Überzeugung, dass Bäume keine zwingende Voraussetzung für einen qualitätvollen urbanen Raum sind.

Um unseren Standpunkt zu verdeutlichen haben wir

3 historische Plätze:

+ Rynek Główny in Krakau

+ Praca do Comercio in Lissabon

+ Piazza San Marco in Venedig 

und 3 aktuelle Beispiele:

+ Eduard Wallnöfer Platz in Innsbruck

+ Israel Plads in Kopenhagen

+ Sechseläutenplatz in Zürich

in Europa zusammen getragen. Und wir fragen uns, warum diese Orte mit keinen oder wenigen Bäumen auskommen und als urbane Orte trotzdem hervorragend funktionieren.

Vielleicht sind wir in Deutschland aufgrund unserer historischen Prägung in dieser Frage ein wenig mehr zwiegespalten als die meisten unserer europäischen Nachbarn. Man kann im Netz vortrefflich zu diesem Thema und dem besonderen Verhältnis der Deutschen zum Baum und zum Wald Beiträge finden.

Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz hat dazu einen besonders lesenswerten Text veröffentlicht:

„Der Ursprung liegt in der Wiederentdeckung von Schriften des römischen Historikers Tacitus. Ca. 100 Jahre nach Christus hat er sein Werk „Germania“ verfasst, in dem er die germanischen Stämme als wild, unzivilisiert und widerstandsfähig bezeichnet. Teil dieser Ursprungserzählung des deutschen Volks ist die Beherrschung des Waldes, was als Stärke und Überlegenheit gegenüber den Völkern des sonnigen Südens interpretiert wird. Im Zusammenhang mit der Varus - Schlacht in der  Arminius römische Truppen vernichtend geschlagen hat ist das eine starke Erzählung.“

Wir sehen das ein wenig anders und hatten bereits im Post über Freiheit Beispiele von Plätzen gesammelt, auf denen sich Menschen versammelt haben, um gegen vorherrschende Missstände zu demonstrieren. Wir sind der Meinung, dass für eine demokratische Meinungsbildung und / oder Auseinandersetzung Raum eine elementare Voraussetzung ist. Unsers Wissens ist noch keine Demokratie zwischen Bäumen oder im Wald entstanden.