Brüssel: So geht Statdtplanung

Montag, 15. April 2024 22:34

Ich bin im September 2023 in Brüssel gewesen, hatte nicht allzu viele Vorstellungen und bin mit einem Sack voller Eindrücke und Ideen zurück gekommen.


Brüssel ist nicht schön aber wild und besitzt etwas, was Berlin Anfang der 1990er Jahre ausgemacht hat. Beschrieben wird das ganze von der aktuellen und sehr gelungenen Ausgabe der Stadtbauwelt 7.2024.

 

Kurz zusammen gefasst werden alle wichtigen und aktuellen Themen der Stadtplanung am positiven Beispiel von Brüssel behandelt:

 

+ Brüssel besteht wie Berlin aus zusammengewachsenen Einzelgemeinden, was in der Vergangenheit eine identitätsstiftende Stadtplanung erschwert hat.

+ Bis in die 1990er Jahre wurde das Thema Stadtplanung nahezu vollständig Investoren überlassen.

+ Ab 1989 wurde eine eigenständige und übergeordnete Verwaltungsebene eingezogen, wodurch baurechtliche Fragen zentralisiert werden konnten.

+  Ab 2009 kommt hierbei eine besondere Rolle der Institution der BMA (Bouwmeester Maître Achitecte) zu. Diese Institution gibt es schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts in den Niederlanden und wurde in Belgien übernommen. Der BMA wird von der Regierung ernannt, kann aber ausserhalb der Hierarchie der Planungsbehörden frei und unabhängig agieren.

+ Das wesentliche Werkzeug der BMA ist die Ausschreibung und Betreuung von Wettbewerben, wobei ein Fokus auf der Förderung von jungen Büros liegt, die auch ohne Referenzen an den Verfahren teilnehmen dürfen.

+ Ein weiteres Werkzeug ist das "Research by Design", wobei innerhalb deBMA Zeichnungen, Modelle und Bilder erstellt werden, um öffentliche Debatten zu bestimmten Planungsaufgaben fachlich zu begleiten.

+ Auf dieser Basis wird versucht mit "individuellen Projekten / punktuellen Interventionen" beispielgebend für Folgeprojekte zu sein.

+ Die hierdurch entstehende Vielfalt der Projekte entspricht der Vielfalt der Bevölkerung und ist damit auf passende Weise identitätsstiftend.

+ Die entscheidenden Ziele sind die Verbesserung der städtischen Raumqualität; gemeint ist dabei insbesondere der öffentlich zugängliche Raum, sowie die gesunde Durchmischung unterschiedlicher städtischer Funktionen.

+ Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Umnutzung bestehender historische Strukturen. Das gibt es natürlich auch in anderen Städten; die Besonderheit in Brüssel besteht aber darin, dass diese neu genutzten Strukturen in einem besonderen Mass öffentlich sind und der Stadtbevölkerung zur Verfügung stehen.

 

Die folgenden Projekte halte ich für sehenswert, beginnend mit zwei Klassikern:


Villa Empain (Architekt Michel Polak, Belgien, 1930 - 1935)

Wohnhaus im Stil des Art Deco / Bauhaus, jedoch wurde während des Bauens klar, dass in enger Kooperation zwischen dem Bauherren Baron Louis Empain und dem Architekten ein Gesamtkunstwerk entstehen sollte.

Palais Stoclet (Architekt Josef Hoffmann, Wien, 1905 - 1911)

Villa im Stil der Wiener Secession unter künstlerische Begleitung durch Gustav Klimt (Stoclet Fries).

Die beiden nächsten Projekte verbinden gutes Design mit historischer Bausubstanz:


Maison de l´Histoire européenne

Architekt JSWD, Köln

Tondo Brücke

Architekt Kersten Geers & David Van Severen, Brüssel

Diese beiden Projekte sind beispielhaft für die Arbeit der oben beschriebenen BMA:


Kanal - Centre Pompidou

Architekten noAarchitecten, Brüssel / Sergison Bates, London / EM2N, Zürich

Tour & Taxis / Gare Maritime

Architekt Neutelings Riedijk, Rotterdam

Landschaftsarchitekt Bas Smets, Brüssel

Diese beiden folgenden Projekte (das erste ist noch ein Wettbewerbsentwurf) belegen, dass Überdachungen urbane Räume in Freianlagen schaffen können:


Place Robert Schuman

Architekt Cobe & Brut, Kopenhagen

Place Charles Rogier

Architekt Xaveer De Geyter, Brüssel