Italien, Alagna: Walser - Bauten im Einklang mit der Natur

Freitag, 29. März 2013 00:00

Im Februar / März 2013 war ich in Alagna, nordwestlich von Mailand in der Region Monte Rosa / Dufourspitze an der italienisch - schweizerischen Grenze, um dort Ski zu fahren. Hier habe ich nicht nur die richtig hohen Berge der Alpen gefunden, sondern auch eine einzigartige Form des alpinen Holzbaus.

Von den Walsern hatte ich zwar schon gehört, aber nichts über deren Fähigkeiten. Ausgehend vom schweizerischen Wallis haben die Walser diverse Hochtäler - eben auch Alagna (ab 1255) - über den gesamten Alpenraum besiedelt.

Die Walser waren Experten für hochalpine Landwirtschaft. Wenn ein Fürst im Alpenraum sein Land auch oberhalb von 1.000 Höhenmetern landwirtschaftlich genutzt sehen wollte, gab es zu den Walsern keine Alternative. Dies führte zu - in dieser Epoche - aussergewöhnlichen Privilegien wie die Vergabe besonderer Kolonistenrechte und Steuerbefreiung. Aufgrund Ihrer eigenen Rechts - Verfassung spricht man auch von "Freien Walsern".

Da der Begriff Freiheit in meinem Weltbild eine herausragende Bedeutung besitzt, war ich sehr begeistert zu sehen, was passiert, wenn man Menschen freies Denken und Handeln zugesteht.

Ich habe bisher noch keine so alten Gebäude gesehen, die Funktionalität und Ästhetik so perfekt in Einklang bringen. Die Häuser waren in der Vertikalen so aufgebaut, dass der Stall im Erdgeschoss Wärme in den darüber liegenden Wohnbereich abgegeben hat und diese Wärme durch den darüber liegenden Heuboden optimal gespeichert wurde.

 

Wegen der hohen Niederschläge im Sommer aufgrund der klimatischen Beeinflussung aus der Po - Ebene musste eine Technik zum Trocknen des Heus entwickelt werden. Hierzu wurde unterhalb des weit überstehenden Daches - komplett um den Hauskern herum - ein Gerüst aus Latten installiert, auf denen das Heu zum Trocknen gelagert werden konnte. Hierdurch ist zusätzlich ein hochtransparenter und gleichzeitig geschützter Raum zwischen Gebäude und Freiraum entstanden, der auf vielfältige Weise genutzt werden konnte.

 

Das sichtbare Ergebnis dieser Konstruktionen ist ortsbildprägend und hat mich begeistert. Die Häuser wirken trotz Ihres Alters von mehreren hundert Jahren zeitlos modern. Die Konstruktion verleiht ihnen eine wunderbare Leichtigkeit.

Interessant ist die Frage, ob dieser ortsbildprägende Stil in die Gegenwart transformiert werden kann. Die beiden aktuellen Beispiele zeigen aus meiner Sicht, dass dies sehr schwer ist, weil diese Bautechnik ausschliesslich aus einer funktionalen Notwendigkeit heraus entwickelt worden ist, für die es in der Gegenwart keine Verwendung gibt. Entweder entsteht eine 1 : 1 Kopie oder diese Technik wird als reines Dekorationselement eingesetzt.

 

Beide Beispiele sind ästhetisch ansprechend und architektonisch ambitioniert aber leider ohne Funktionalität für zeitgenössische Ansprüche. 

Weiterführende Links:

http://www.sac-saas.ch/documents/Alagna.pdf

http://www.dibaio.com/case-di-montagna/edilizia/ristrutturazione/redazionale/suggestioni-walser.aspx

http://www.walser-alps.eu/geschichte/die-walser-in-vercelli